Im Westen nichts Neues

„Zwei Jahre schießen und Handgranaten – das kann man doch nicht ausziehen wie einen Strumpf, nachher -„

Nachdem es über drei Jahre in meinem Zimmer gelegen hat, habe ich den Antikriegs-Klassiker endlich gelesen, nein verschlungen.

Erich Maria Remarque lässten den 20 jährigen Paul Bäumer vom Leben in den Schützengräben des „Großen Krieges“ berichten, der nach der Lektüre nur noch groß in seiner Widerwärtigkeit und Grausamkeit erscheint. Mit einfachen und eindringlichen Worten beschreibt er wie sich die jungen Soldaten, die sich, von ihrem Lehrer gedrängt, als Kriegsfreiwillige meldeten, dem grausamen Geschehen anpassen, fatalistisch dessen Ende herbeisehnen und dennoch weiter daran teilnehmen. Widerstand wird nur dem sadistischen Vorgesetzten Himmelstoß geleistet, aber nicht der Armee und dem Krieg an sich, die einfach als ein großes Übel aufgefasst werden.

Immer wieder denkt Paul darüber nach, wie das Leben als Soldat ihn verändert, ruiniert hat. In seinem Heimaturlaub kann er mit dem Zivilleben nichts mehr anfangen, eine Erfahrung, die viele der deutschen Truppen, die aus Afghanistan heimkehren nur allzu gut nachempfinden können. Den Begriff der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) gab es 1928 noch nicht, aber er trifft hier genauso zu wie bei den heutigen Soldaten.

Paul und seine Kameraden lenken sich wenn sie nicht an der Front sind konstant ab, mit der Suche nach zusätzlichem Essen, Skat, oder dem Verführen französischer Witwen. Sie reißen derbe Witze über den Krieg und das Sterben, aber wie sonst sollen sie damit umgehen? Das Trauma kommt in jeder freien Sekunde.

Die Bilder von Giftgas, Maschinengewehren und Tanks, die Remarque eindrucksvoll heraufbeschwört sind bedrückender als die meisten Horrorfilme, aber noch erdrückender sind die tiefen Einblicke in die kollektive Seele der jungen Kriegsfreiwilligen, die direkt aus der Schule kommen und nichts anderes kennen. Das Zitat vom Anfang stammt aus einer Unterhaltung die Paul mit seinen Kameraden führt darüber, was sie tun, wenn Frieden ist. Es geht so weiter:

„Wir stimmen darin überein, daß es jedem ähnlich geht; nicht nur uns hier; überall, jedem, der in der gleichen Lage ist, dem einen mehr, dem anderen weniger. Es ist das gemeinsame Schicksal unserer Generation.

Albert spricht es aus. ‚Der Krieg hat uns für alles verdorben.‘

Er hat recht. Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben. Wir waren achtzehn Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben; wir mußten darauf schießen. Die erste Granate, die einschlug traf in unser Herz. Wir sind abgeschlossen vom Tätigen, vom Streben, vom Fortschritt. Wir glauben nicht mehr daran, wir glauben an den Krieg.“

Der 1. Weltkrieg war natürlich anders als die heutigen „asymmetrischen“ Kriege, aber die zerstörerischen Effekte, die der Krieg auf Menschen, gerade auf die Ausführenden, die Soldaten, hat, sind die gleichen geblieben. Darum hoffe ich, dass jede/r SoldatIn dieses Buch liest und sich der Meinung der Überlebenden des 1. Weltkrieges, des „Großen Krieges“ anschließt und ruft:

NIE WIEDER KRIEG!

Nie wieder Krieg, Käthe Kollwitz

Nachtrag: Remarque fand nicht, dass sein Buch ein Antikriegsbuch, sondern, dass es unpolitisch sei. Er fand es unnötig zu sagen, dass das Buch gegen den Krieg sei, da jeder gegen den Krieg ist, wie er dachte.

1963 sagte er in einem Interview: „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, daß es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“

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