Dies ist der zweite Teil einer Anekdote. Teil eins ist hier.
Wir verlassen das Oktoberfest als es schon dunkel ist und müssen deshalb von Taybeh nach Ramallah und von Ramallah nach Bethlehem den doppelten Preis zahlen. Als wir um neun Uhr abends in Bethlehem sind, und verglichen mit einem Taxifahrer über den Preis gefeilscht haben, zeigen wir wieder mit dem Finger auf den Boden und siehe da ein Auto hält. Ein Mann um die dreißig und ein Junge um die 15. Beide sprechen kein Englisch. Wir machen ihnen einigermaßen klar, wo wir hin wollen, und unterhalten uns. Er sagt mir, dass das Bier, das ich in Taybeh gekauft habe haram ist und ich versuche ihm klarzumachen, dass das kein Problem ist, weil wir mesachi (Christen) sind und verhindere mit demselben Argument, das er meine Kollegin heiratet, aber plötzlich ruft der Fahrer einen Freund an, der Englisch kann und sagt ihm, dass er etwas übersetzen soll.
Der Freund fragt mich, wo wir hinwollen und ich sage: „Nahe bei Nahalin.“
-„Mein Freund will aber nicht nach Nahalin.“
„Kein Problem, er lässt uns bei Kilo Sabatasch (17) raus, wir laufen den Rest.“
– „Aber da sind die Juden, die bringen euch um!“
„Ich glaube, wir werden aufpassen, und das wird nicht passieren“
– „Oh. Wenn du dir da so sicher bist, vielleicht bist du gar kein Deutscher, vielleicht bist du ein Jude und gehst zu den Siedlern! Gib mir meinen Freund zurück!“
Äh… Ich weiß nicht, ob ich das gerne tun will, vielleicht sagst du dem ja, er soll mich gleich erschießen. Aber der Junge ist ja dabei, es wird schon nichts passieren.
Schlussendlich ist nichts passiert, und wir sind sicher beim 17. Kilometer rausgelassen worden.
Aber die Angst auf beiden Seiten vor den anderen beschäftigt mich noch immer.
Beiden, aber vor allem der Siedlerin hätte ich gerne gesagt,weil sie definitiv in der mächtigeren Position war, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Wenn dieses Land jemals Frieden finden wird, dann wird das erst der Anfang eines langen und schmerzhaften Prozess des Abbauens von Vorurteilen sein.
Und vielleicht können Projekte wie Zelt der Völker auch jetzt schon damit beginnen, ohne die dringenderen Fragen der Gerechtigkeit für die Palästinenser zu vernachlässigen. Wenn statt lauter Deutschen die Siedler mal zu Besuch kämen, und die Leute aus Nahalin.
Ich werde weiter trampen, und die Geschichten der Leute anhören.
Deine Trampgeschichten klingen ähnlich wie die inzwischen abgeschlossenen Geschichten eines ägyptischen Autors, der immer mit Taxis durch Kairo fährt und aufschreibt, was die Taxifahrer sagen. Er hat das Ohr am Puls des Volkes – ist das nicht ein wunderschön schiefes Bild? – in der Süddeutschen war ein halbes Jahr immer Samstags eine Kolumne von ihm. Diese Texte waren die Fortsetzung eines vorrevolutionären Buches mit Stimmen der Taxifahrer.
http://www.perlentaucher.de/buch/35815.html
da gibts eine Besprechung des Interviewbuches