Sonntag morgen wollten wir zu dritt zum Gottesdienst in der Erlöserkirche in Jerusalem und waren, wie dass so ist, wenn drei Leute zusammen irgendwohin wollen, zu spät aufgebrochen. Weil man die Dauer der Fahrt nach Jerusalem kaum einschätzen kann, aber sicherheitshalber 90 Minuten einplanen sollte (für eine Strecke von knapp 20 Kilometern!) entschied ich für uns, dass wir trampen sollten. Also zeige ich mit dem Finger auf die Straße (so macht man das hier) und das erste Auto hält an.
Eine junge Frau mit Kind. Gelbes Nummernschild und sie kommt aus unserer Richtung, das heißt sie kommt aus Newe Daniel und ist eine Siedlerin.
Was soll’s, das heißt, für sie gibt es keinen Checkpoint und wir kommen schnell nach Jerusalem rein, weil wir auch nicht in Bethlehem umsteigen müssen. Wir steigen also ein und sitzen in ihrem Auto.
Normalerweise beginnt man jetzt ein Gespräch, aber über was rede ich mit ihr? Ich will ja in dem Auto sitzen bleiben und nicht gleich wieder rausfliegen. Man kann ja mal fragen, wo sie eigentlich hinfährt in Jerusalem. Nicht in die Altstadt. Mist, wir müssen also den Rest laufen. Wenigstens habe ich mal was gefragt.
Längeres Schweigen.
Sie fragt: „Was macht ihr hier?“
– Ja, hmm, was machen wir hier eigentlich? „Reisen“, antworte ich. (Immer eine sichere Antwort)
„Und wie gefällt euch das Land?“
– „Ein schönes Land, nur schade, dass die Leute nicht wirklich gut zusammenleben können.“ (Die unprovokativste Antwort, die mir einfällt).
„Habt ihr Europa nicht dasselbe Problem mit den Moslems?“
– „Eigentlich nicht“
„Werdet ihr aber bald haben, die kriegen nämlich so viele Kinder.“
-„Aha.“ (Kriegen das nicht auch die Orthodoxen?)
Sie zeigt auf die Apartheidsmauer, an der wir vorbeifahren.
„Die Mauer gibt es, weil sie sonst auf uns schießen.
Sie wollen keinen Frieden. Wir können nicht nach Bethlehem,
aber sie können hin, wo sie wollen“ (Da hab ich aber was anderes gehört)
-„Fühlen Sie sich bedroht durch die Palästinenser?“
„Ja, natürlich, letztens hat mich einer überholt und ich hatte Panik.
Wer weiß, ob der ein Terrorist ist und mich plötzlich rammt?“
-„Letzte Nacht habe ich auf einem der Hügel neben Newe Daniel geschlafen…“
„Ah, in Beitar Ilit?.“
-„Nein.“
„Rosh Tsurim?“
-„Nein. Bei einer christlich-palästinensischen Familie, direkt auf dem
Hügel neben Newe Daniel. Sie wollen Frieden und sind traurig, dass die
Leute aus Newe Daniel sie nie einfach so besuchen.“ (Also, ohne Waffen
und ohne,dass sie was kaputt machen)
„Ah, die Christen sind anders.“ (Aha, und warum wird ihnen dann das
Leben genauso schwer gemacht?)
Die Fahrt ist zu Ende. Wir verabschieden uns höflich von ihr und kommen noch rechtzeitig zur Kirche.
Teil zwei folgt.