Dies ist der vierte Teil einer Serie zerstreuter Gedanken zu Diaspora, und anhängenden Themen. Der erste Teil handelte vom Verhältnis Soziologie-Theologie, der zweite Teil beschäftigte sich mit der Metapher der Zerstreuung. Im dritten Teil ging darum, wie wir unsere Geschichte erzählen. Ich schließe mit einem Vorschlag für ein ökologische Lesart ökumenischer Theologie und Praxis.
Ein letzter Gedanke in dieser schon viel zu langen Serie. Eine Erneuerung der Kirche ist angesichts der Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere der Klimakrise, dringend notwendig. Es ist m.E. offensichtlich, dass diese Erneuerung nur ökumenisch gelingen wird.
Die Frage ist allerdings, wie wir Ökumene verstehen. Ich bin dankbar für die ökumenischen Netzwerke und die liebevolle Mühe, die in die offiziellen Dialoge zwischen den Kirchen und in die offiziellen Papiere geht. Aber mindestens genauso wichtig ist es, an der Basis Menschen zu versammeln um gemeinsam in kleinen Gruppen ans Werk zu gehen. Weder akademische Monokulturen, noch neo-klerikale Genmanipulation oder bürokratisches Geo-Engineering können die große Transformation bewirken. Wir brauchen eine Polykultur unzähliger exegetischer Guerilla-Gärten, Solidarischer Lesegemeinschaften und Bibel-Fair-Teiler in verschiedenen kirchlichen, sozialen und ökologischen Kontexten, die über informelle Wurzelnetzwerke und ökumenische Bestäuber miteinander und mit den verschiedenen Bewegungen für Klimagerechtigkeit verbunden sind. Nur so werden wir zu Hebammen der neuen Schöpfung Gottes.
Der biblische Kanon ist dabei unverzichtbar als Samenbank, die Vielfalt (Biodiversität) und Widerstandsfähigkeit erhält. Die biblischen Geschichten sind älter und weiser als wir selbst. Wir brauchen ihre Perspektive, um unsere Situation klar zu sehen. Dies gilt in abgewandelter Form auch für die Kirchengeschichte und die Vielfalt christlicher Traditionen. Jede einzelne von ihnen hat ein Charisma, eine Gnadengabe, für die gesamte Kirche und diese von Gott geliebte Welt. Deshalb ist es mir wichtig, den Schatz gelebter täuferisch-mennonitischer Theologie in den Gemeinden zu pflegen, zu erhalten, und, wo möglich, neu zum Blühen zu bringen.
Andrea Langes Vortrag und das Gespräch haben noch viel mehr Gedanken bei mir ausgelöst:
- Fördert die Diaspora-Situation wirklich die Sprachfähigkeit über den eigenen Glauben, oder fordert sie es nur? Hakt es am Ende nicht genau daran, ob wir Sprachfähigkeit in den Gemeinden fördern? Wie geht das? Und warum machen wir es eigentlich nur mit Kindern und Teenagern und hören dann auf?
- Wie können wir unsere Geschichte so erzählen, dass einerseits klar wird, wofür wir als Täufer:innen stehen (siehe Biodiversität), aber auch so, dass alle, die dazugehören wollen, auch wirklich als Geschwister und volle Hausgenossen dazugehören und nicht immer zweitrangig gegenüber den „Ethno-Mennoniten“ gesehen werden?
- Wie können wir als Wahl-Diaspora in solidarische Beziehungen mit migrantischen Kirchen und anderen Gruppen kommen, die sich nicht aussuchen können, ob sie ihr marginale Position zum Thema machen oder nicht?
Aber zunächst bleibt mir einfach, Andrea und allen Vorbereitenden zu danken für diesen sehr anregenden Vormittag!
Die Ökumene-Interpretation finde ich wichtig. Wenn schon Diaspora-Perspektive dann nicht so, als ob wir unsere Diaspora verstünden als kleine aber feine Minderheit innerhalb der diversen christlichen Landschaft. Sondern Ökumene als Diasporagemeinschaft. In absehbarer Zeit werden nicht nur Mennoniten (oder andere kleine Freikirchen) ihr Dasein unter dem Aspekt der Diaspora betrachten, sondern alle christlichen Konfessionen und Kirchen gemeinsam sind auf dem Weg dorthin. In manchen Gegenden früher, in anderen später. In diesem Sinn Ökumene als „Polykultur unzähliger exegetischer Guerilla-Gärten, Solidarischer Lesegemeinschaften und Bibel-Fair-Teiler“ zu gestalten leuchtet mir sehr ein.