Mein Bruder Fritz hat mir diesen Blog Anfang 2009 eingerichtet; als Weihnachtsgeschenk und als Gelegenheit für mich, meine Erlebnisse während meines Schüleraustauschs nach Paraguay zu gestalten. Seitdem veröffentliche ich hier immer wieder Texte, vor allem zu politischen und theologischen Fragen, meistens auf einander bezogen. Damals war ich knapp siebzehn. Hoffentlich erklärt das manche der Texte. Ich habe mich entschieden ,die meisten Texte stehen zu lassen, auch wenn ich einiges heute anders sagen würde. Sozusagen mein Beitrag zu einer ehrlicheren und verwundbareren Debattenkultur.
Zu manchen Zeiten habe ich sehr viel geschrieben, in den letzten Jahren immer weniger. Mittlerweile schreibe ich nicht nur zum Spaß an der Freude, sondern predige regelmäßig in mennonitischen Gemeinden oder halte Vorträge zu verschiedenen Themen. Manche dieser Texte landen später hier, teils als Archiv für mich, teils weil ich meine, dass es meine Leser:innen interessieren könnte.
Apropos Leser:innen: Mir war nie ganz klar, an wen ich hier eigentlich schreibe, und noch weniger, ob irgendwer das ganze tatsächlich liest. Aber über die Jahre habe ich immer wieder von verschiedenen Menschen Rückmeldungen gekriegt, dass sie diesen Blog sehr schätzen und so mache ich weiter.
Daher freue ich mich sehr über eure Kommentare!
Aber was hat es mit dem Untertitel auf sich?
„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens…“ Dieser Untertitel bei einem mennonitischen Blog, der sich noch dazu hauptsächlich mit Friedenstheologie, Konflikttransformation und aktiver Gewaltfreiheit beschäftigt? Manche mögen da die Stirn runzeln. Es ist der Anfang meines Taufverses: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens! Ergreife das ewige Leben! Zu beidem bist du berufen. Und du hast dich auch dazu bekannt, vor vielen Zeug:innen.“ 1. Timotheus 6,12 (Basisbibel) Irgendwann machte ich diesen Vers zum Motto dieses Blogs, vor allem deshalb, weil es so episch klingt. Mittlerweile bin ich jedoch überzeugt, dass der Vers sehr gut zusammenfasst, wie ich christlichen Glauben verstehe und damit auch worum es auf diesem Blog geht.
„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens…“
Auch wenn viele Mennos eher zur Konfliktvermeidung bis -verdrängung neigen, 1 merke ich, dass „Kämpfen“ gut beschreibt, was mir am Glauben wichtig ist:
1) Biblischer Glaube ist, wie Marx schrieb, „das Herz einer herzlosen Welt.“ Es ist ein Widerspruch gegen eine zutiefst ungerechte und tödliche Weltordnung, die Profite hört wertschätzt als das Leben selbst. Es ist ein Widerspruch gegen die Langeweile eines Lebens, das sich in Konsum und Bullshit-Jobs erschöpft.
2) Dieser Kampf geht nicht gegen einzelne Personen oder Gruppen sondern „gegen Mächte und Gewalten.“ (Epheser 6,12) Es ist ein gewaltfreier Kampf mit geistlichen Waffen, die mächtig sind ideologische Festungen zu schleifen. Der gute Kampf des Glaubens ist radikal, denn er konzentriert sich auf die Wurzeln unserer Malaise, statt sich in Symptomen zu verlieren.
3) In einem so asymmetrischen Kampf geschieht es immer wieder, dass ich die Hoffnung verliere, und mit Gott selbst hadere. Manchmal fühlt es sich an, als glaube ich aus Trotz. Trotz gegenüber dem Unrecht in der Welt, und manchmal auch zum Trotz gegenüber Gott selbst! Auch hier bin ich biblisch in guter Gesellschaft (siehe Jakob am Jabbok, das Buch Hiob, Jesus in Gethsemaneh, oder der Schrei der Märtyrer: Wie lange noch? Diese Gefühle der Ohnmacht und des Zweifels gilt es auszuhalten und nicht durch theologische Argumente wegzuerklären. Vielmehr können wir hier lernen: Der gekreuzigte Gott weint immer als erster über die Toten.
„…ergreife das ewige Leben.“
Gleichzeitig ist es ein Glaube, dass eine andere Welt nicht nur möglich ist, sondern bereits auf dem Weg zu uns ist, hier und da sogar schon hereinbricht, Wurzeln schlägt, und diese Welt verwandelt. Wir können an dieser neuen Welt teilhaben, indem wir jetzt schon so leben, als sei sie vollends da.
Viele Christ:innen denken bei „ewiges Leben“ nur an „Leben nach dem Tod“ – und vergessen dabei das Leben vor dem Tod. Ich bin glaube, dass Gott in Jesu Leben, Kreuz und Auferstehung, die Macht des Todes überwunden hat, und uns Leben in Fülle schenkt – hier und heute und über den Tod hinaus. Aber angesichts der latenten bis expliziten Lebensfeindlichkeit vieler sehr lauten christlichen Stimmen betone ich eher das Leben vor dem Tod. Was willst du mit dem einen kostbaren Leben anfangen, dass dir geschenkt ist?
Der Fokus auf das Diesseits ist auch wichtig, weil wir vor mehreren miteinander verbundenen Krisen stehen, die alles Leben auf der Erde bedrohen. Wenn Gott uns ewiges Leben schenkt, sind wir frei das Leben mit aller Kraft zu schützen, auch das der Unterdrücker:innen.
Und zu guter letzt: Wie sieht das gute Leben aus, nachdem wir streben? Es lohnt sich diese Fragen immer wieder zu stellen, auch wenn die Antworten bruchstückhaft sind. Wir können nur werden, was wir uns vorstellen können. Deswegen lese ich Science-Fiction.
„…zu dem du berufen bist …“
Berufung ist ein Thema, mit dem ich mich immer wieder beschäftige, aber bisher eher weniger auf diesem Blog. Als ich anfing Theologie zu studieren, sagte ich sehr klar, dass ich nie Pastor sein will, weil meine Leidenschaften und Stärken nicht zu dem passten, was ich unter „Pastor“ verstand. Aber was genau ich sein wollte, wusste ich nicht: Irgendwas mit Kirche.
Mein Studium half mir, meine Ideen was ein „Pastor“ ist zu hinterfragen und zu erweitern, bis schließlich auch ich dahineinpasste. Und ja, irgendwo war da auch eine Stimme, die sich von meinen Selbstzweifeln und Schwächen nicht verunsichern ließ, sondern geduldig nachbohrte: „Du hast was zu sagen. Lass dich nicht kleinkriegen und erst recht nicht in eine vorgefertigte Form pressen.“
Mittlerweile glaube ich, dass es sehr wichtig ist, zu fragen, was unsere Berufung ist, statt einfach einen Beruf oder „Job“ zu wählen, weil „man das halt so macht.“ Sehr hilfreich dabei war für mich die Definition des christlichen Autors Frederik Buechner:
„wo deine größte Leidenschaft und die größte Not der Welt sich begegnen, da ist deine Berufung.“
Wenn mehr Leute sich diese Frage stellten, gäbe es vermutlich weniger Bullshit Jobs. Aber dann ist da immer noch das Problem, dass wir im Kapitalismus uns unser Leben erst verdienen müssen. Ched Myers fasst die Spannung gut zusammen: „individuelle Praktiken sind keine Lösung für strukturelle Probleme. Aber sie halten die Frage lebendig.“ Und das ist zumindest ein erster Schritt in die Freiheit für alle.
„… und das du bekannt hast vor vielen Zeug:innen“
Bekennen ist etwas das wir in meiner mennonitisch-täuferischen Tradition wenig tun. Zumindest sprechen wir selten gemeinsam ein Glaubensbekenntnis wie es etwa in der katholischen und den lutherischen Kirchen üblich ist. Andererseits bekennen wir sehr bewusst unseren persönlichen Glauben in der Taufe, die bei uns nur auf eigenen Wunsch ergeht. In meinem Fall als ich vierzehn Jahre alt war. In meiner mennonitisch-täuferischen Tradition ist die Glaubenstaufe, die Idee, dass sich Menschen bewusst für den Glauben entscheiden können, ein zentraler Punkt neben dem Verzicht auf Gewalt und einer Haltung der Wahrhaftigkeit in allen Dingen. Diese drei (man könnte auch noch andere nennen) hängen zusammen im Begriff der Nachfolge Jesu. Taufe ist in täuferischen Verständnis vor allem das öffentliche Bekenntnis des eigenen Glaubens und der Bereitschaft Jesus im Leben nachzufolgen. Öffentlich heißt vor der Gemeinde, aber auch vor der breiteren, nicht-christlichen Welt. Und es ist auch eine bewusste Absage (ein nein) an die Mächte und Gewalten und „die Pracht des Satans“ (Ich liebe diese Formulierung. Ich denk da immer an vergoldete Kaufhäuser).
Gerade in Anfechtungen und schöpfe ich Kraft aus der Erinnerung an mein Bekenntnis. Und ich schöpfe Kraft aus der Verbundenheit mit den Zeuginnen und Zeugen, sowohl den konkreten Menschen, die bei meiner Taufe anwesend waren, als auch der weltweiten Kirche durch alle Zeiten. Der Hebräerbrief nennt diese Idee die „Wolke der Zeugen“ (Hebräer 12), alle diejenigen, die Gott treu geblieben sind trotz allem Ringen und denen sich Gott ebenfalls als treu erwiesen hat, weit über das Maß ihrer Treue oder auch ihres Verrats hinweg.
Es gäbe noch vieles mehr zu sagen. Und wahrscheinlich ist das nicht wirklich die direkteste Einführung in meinen Blog. Aber ich lerne auch neu zu sagen: Es ist gut genug.
Und damit: Willkommen auf bennisblog.de
- Tatsächlich habe ich diese Verteuflung des Kämpfens nicht so mitgekriegt. Als Kind spielte ich sehr viel mit Schwertern und eines meiner Lieblingsspielzeuge war ein Ritterhelm, den mir mein Opa geschenkt hatte. Meine Eltern haben mir auch nie verboten „Krieg“ zu spielen, und selbst mein kurzlebiges Interesse für Fechtkampf und Aikido unterstützten sie nachdrücklich. Insgesamt wäre es wichtig festzuhalten, dass Konflikte an sich nicht schlecht sind, sondern Teil von Gottes guter Schöpfung. ↩