In diesem Text versuche ich die Erfahrungen aus dem Weltjugendgipfel für Gemeinden und das Verhältnis der Generationen fruchtbar zu machen. Der Text ist zuerst für die Herbsttagung des Jugendwerks Süddeutscher Mennonitengemeinden 2015 entstanden.
Mein ausführlicher Bericht findet sich hier: Bericht des Delegierten der AMG zum Jugendgipfel und zur Twentour.
Im Sommer 2015 bin ich als Delegierter der AMG für den Jugendgipfel mit elf anderen Mennos aus Deutschland und der Schweiz nach Harrisburg, USA gefahren und will kurz von ein paar Momenten beim Jugendgipfel erzählen, in denen für mich deutlich wurde, was Raum schaffen heißen kann.
Wenn ihr mehr zur Twentour hören wollt – schaut in unseren Blog, an dem sich fast alle Mitreisenden beteiligt haben.
Am Wochenende vor der Weltkonferenz gab es mit dem globalen Jugendgipfel einen eigenen Raum für junge Mennos. 700 Jugendliche aus sechs Kontinenten kamen im Messiah College zusammen, um in verschiedenen Sprachen Gott zu loben, Gleichaltrige aus aller Welt zu treffen und über die Gaben junger Menschen für die weltweite Kirche zu reden.
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Es war begeisternd mit so vielen jungen Leuten zu sein, denen man nicht erklären muss, was Mennos sind, sondern sich darüber austauschen kann, was diese Identität für uns jeweils bedeutet. Dabei entdeckten wir in aller Vielfalt auch überraschende Gemeinsamkeiten.
Aber es war auch herausfordernd zu merken, wie unterschiedlich unsere Überzeugungen teilweise sind.
Marc Pasques, der Europäer im Vorbereitungsteam des Jugendgipfels, beschrieb seine größte Einsicht aus den sechs Jahren Vorbereitung als Frage:
Wie gehe ich damit um, wenn meine Geschwister sich zu etwas berufen fühlen, dass ich nicht nachvollziehen kann, ja sogar ablehne?
Diese Frage beschäftigt mich immer noch, aber der Jugendgipfel und die Weltkonferenz haben mir gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, wenn wir den Dialog suchen, unbequeme Fragen ansprechen, dem anderen wirklich zuhören und uns selbst verletzlich machen.
Ein Beispiel dafür waren die Gottesdienste beim Jugendgipfel. Die fünf Gottesdienste wurden von den Delegierten der einzelnen Kontinente gestaltet.
Das war ein Freiraum, um auszudrücken was wir als Kontinent den anderen mitgeben wollen
Im Europäischen Gottesdienst gab jede von uns Delegierten einen kurzen Input über ungewöhnliche Gaben, die auf uns zukommen und die wir durch unsere Reaktion in gewisser Weise erst zur Gabe machen.
Judit aus Spanien sprach z.B. über die Wirtschaftskrise als Gabe, in der ihre Gemeinde lernte, einander zu unterstützen und auch über die Gemeinde hinaus Menschen mit Brot für Körper, Hirn und Seele zu versorgen.
Aber die Gottesdienste waren auch eine Lektion darin, Spannung auszuhalten. Wo wir Europäer ohne drüber nachzudenken uns selbst ermächtigt hatten, zu predigen, wurden bei allen anderen Gottesdiensten Geschwister eingeladen zu predigen, die mindestens doppelt so alt wie der Durchschnitt der Teilnehmenden waren.
Nicht dass ich falsch verstanden werde, die Predigenden hatten uns etwas zu sagen – aber die Frage ist, ob ein Jugendgipfel der Ort ist, dies zu sagen. Weil egal was gesagt wird, auch eine andere Botschaft ankommt: Ihr könnt das noch nicht.
Wir Jungen hören so oft die Worte älterer Geschwister, die uns Weisheit mit auf den Weg geben.
Und hier war die Gelegenheit für Delegierte, die seit Jahren in ihren Jugendgruppen engagiert sind, einen lebendigen Glauben haben und uns viel zu sagen haben, selbst das Wort zu ergreifen!
Wie ermächtigend wäre es für Teilnehmende gewesen, die sich fragen von anderen jungen Leute die Bibel auszugelegt bekommen!
Bei der Weltkonferenz wurde mit den Antworten der jungen täuferischen SprecherInnen genau das vorgelebt – und es war für viele, nicht nur junge Leute der inspirierende Teil des Programms.
ABER: Es war nicht mein Gottesdienst, sondern der der anderen und ich musste üben, ihre Vorbereitung wertzuschätzen und wirklich zuzuhören, was sie uns sagen wollten.
Und wenn ich hinhörte, bemerkte ich wunderschönes und ermächtigendes in den anderen Gottesdiensten. Z.B. wurde im asiatischen Gottesdienst am deutlichsten, was es heißt eine Friedenskirche zu sein, als wir Briefe an Sang-Min-Lee schrieben, der als Mennonit in Südkorea den Kriegsdienst verweigert hat und dafür 15 Monate im Gefängnis saß und mittlerweile freigelassen wurde. Dank sei Gott.
Den ganzen Jugendgipfel und die Weltkonferenz über redete ich mit Leuten über Menno-Sein in ihrem Kontext und erlebte es als große Gnade von ihnen zu lernen, mit ihnen zu klagen und mich zu freuen. Vor lauter interessanten Gesprächen kam ich während der Woche kaum zum Essen oder Schlafen.
In den Delegiertensessions führten wir Gespräche zu Gaben, Teilen und Berufung in kontinentalen und interkontinentalen Gruppen.
Auch hier war Selbstorganisation gefragt. Wie kriegt man es hin, dass sich alle beteiligen können – trotz Sprachbarrieren, unterschiedlichen Arten zu kommunizieren und begrenzter Zeit?
Thaddäus der Tiger diente uns als „Redetiger“ und Moderator.
In der Vielfalt unserer Erfahrungen erlebten wir eine Dynamik sehr ähnlich.
Junge Leute sind begeistert und haben neue Ideen, die sie umsetzen wollen.
Leider werden sie von der Gemeinde, bzw. Den Älteren in der Gemeinde, die die Entscheidungen treffen oft nicht verstanden, als naiv abgetan oder diese fühlen sich sogar bedroht.
Eine Delegierte aus Südamerika erzählte, wie sie als Jugendliche die Vision hatten, raus zu den Straßenkids zu gehen, sie kennenzulernen und ein missionarisches Jugendangebot für sie zu beginnen. Aber die Ältesten hatten Angst um ihre Kinder, die dadurch in Kontakt mit Drogen und Gewalt kommen würden und verboten es.
Die Furcht ist natürlich berechtigt, aber die Ablehnung führte dazu, dass die Jugendliche sich selbst abgelehnt fühlten und einige kaum noch Bezug zu dieser Gemeinde haben.
Manche von ihnen verwirklichten ihren Traum in einer anderen Gemeinde und andere haben keinen Bezug mehr zu irgendeiner Gemeinde mehr.
Beides kennen wir auch hier in Deutschland auch wenn es bei uns meist subtiler abläuft.
Räume schaffen heißt für manche, Verantwortung und Kontrolle abzugeben. Vielleicht heißt das manchmal sogar, Platz zu machen, obwohl noch nicht klar ist, wer nachrücken wird. Manchmal habe ich den Eindruck, dass manches bei uns so gut läuft, dass junge Leute meinen, sie werden gar nicht gebraucht.
Für junge Leute in unseren Gemeinden ist es aber dran, Verantwortung zu übernehmen.
Damit Menschen Verantwortung übernehmen müssen sie zuerst einmal das Gefühl haben, wirklich Teil der Gemeinschaft zu sein – und nicht nur z.B. der Jugendgruppe.
Dieses Gefühl wächst da, wo man etwas eigenes einbringen und gestalten kann. Wo man das Gefühl hat, gehört, ja gebraucht zu werden, und mitentscheiden zu können.
Eigentlich sollten bei uns spätestens mit der Taufe alle gleichberechtigt mitreden dürfen – aber leider ist das eine der Dimensionen von Erwachsenentaufe, die oft übersehen wird.
Wie viele getaufte Jugendliche und junge Erwachsene kommen zu euren Gemeindeversammlungen und werden wirklich gehört?
Beim Jugendgipfel und bei der Weltkonferenz habe ich erlebt, wie ermächtigend es ist, wenn Raum für mich ist und ich diesen mitgestalten kann und soll. Und bei meinen Mitreisenden konnte ich dasselbe beobachten und sehen, wie in diesem Prozess auch der Raum für andere wächst. Das Wünsche ich mir auch für unsere Gemeinden.
Das Juwe ist hierfür ein gelungenes Beispiel: Hier findet sich die richtige Mischung an Schulung, Eigenverantwortung und Unterstützung, die junge Menschen ermächtigt. Gleichzeitig steht Jugendarbeit immer in Gefahr sich zu verselbstständigen und den Bezug zur intergenerationellen Gemeinde zu verlieren.
Denn von denen
Aber wieviele kommen zu Gemeindeversammlungen und werden dort gehört? Oder zu den theologischen Studientagen oder der Herbsttagung des Mennonitischen Friedenszentrums Berlin und des Deutschen Mennonitischen Friedenskommittees?
Das sind auch unsere Konferenzen und Netzwerke. Einerseits hoffe ich, dass Gemeinden als Ganzes ihren jungen Leuten Raum geben, ihnen zuhören und Verantwortung an sie abgeben – aber ich denke auch, dass wir Jungen uns oft selbst im Weg stehen.
Wir müssen unsere Stimmen erheben, wenn wir gehört werden wollen. Und wir müssen auftauchen, wenn wir einen Platz haben wollen.
Gleichzeitig sind Gemeinden in der Verantwortung, dies proaktiv zu gestalten. Allein schon, um den Generationenwechsel anzugehen. Das heißt auch, das Leute die Jahrzehnte gute Arbeit geleistet haben, lernen müssen, Abschied zu nehmen, andere zu ermutigen und den Platz wirklich freizumachen und die Spannung auszuhalten, dass manches anders wird.