Nachdem ich vor ein paar Tagen Daouds Brief an seine UnterstützerInnen veröffentlicht habe, will ich euch auch noch ein paar meiner Gedanken dazu mitteilen.
Als wir die Zettel letzte Woche gefunden haben, hatten wir Glück, dass Daher sie überhaupt gesehen hat und sogar die Beamten, die sie auf den Boden legten, noch ansprechen konnte. Wir Freiwilligen aßen gerade zu Mittag als Daoud und Daher kamen und uns die Dokumente zeigten. Dann ging alles ganz schnell. Daoud wollte, dass die Originale zum Rechtsanwalt nach Ostjerusalem gebracht werden, wo er selbst aber ohne Genehmigung nicht hingehen durfte. Also musste ich mit dem Bus nach Bethlehem und dann nach Jerusalem fahren, wo ich mit Daouds Beschreibung das Büro des Anwalts fand, nur um herauszufinden, dass der Anwalt umgezogen war.. Mit der Hilfe einiger Nachbarn fand ich dann schließlich das neue Büro ungefähr einen halben Kilometer entfernt.
Der Anwalt kopierte die Originale, und ich erzählte ihm nochmal kurz, was vorgefallen war, dann fuhr ich wieder zurück zum Zelt der Völker.
Während ich in Jerusalem war, haben wir noch zwei Zettel gefunden und die Nachbarn verständigt, die nachgesehen haben und auch Nicht-kultivierungsbefehle gekriegt haben.
Seitdem ist die Stimmung ein wenig gedrückt, weil wir nicht einschätzen können, was dieser Schritt wirklich bedeutet – ist das einfach ein schwacher Versuch Land zu klauen, oder der Beginn einer groß angelegten Offensive, den Hügel doch noch zu enteignen?
Die Nassers haben sich entschieden, ihre internationalen Kontakte zu informieren und nur auf juristischem Weg Einspruch gegen die Entscheidung der israelischen Zivilverwaltung einzulegen. Falls es notwendig werden sollte, wird Daoud einen Aufruf zu Kampagnen und Petitionen starten – diese Zeit ist aber noch nicht jetzt!
Ich merke, wie mein eigener Aktionismus mich drängt, irgendetwas zu machen, aber ich teile Daouds Analyse, dass es strategisch zur Zeit einfach nicht sinnvoll ist, und finde alle, denen Dahers Weinberg wirklich am Herzen liegt, sollten den Wunsch seiner Besitzer respektieren.
Warum haben die israelischen Beamten uns die Dokumente nicht persönlich ausgehändigt, wie es in einem Rechtstaat üblich ist (fragte zum Beispiel meine treue Leserin Gela Böhne)?
Dazu kann ich nur sagen, dass auch wenn über die Rechtstaatlichkeit innerhalb Israels noch debattiert wird, die Palästinenser unbezweifelbar nicht in einem Rechtstaat leben. Sie leben seit 1967 unter militärischer Besatzung, die sie nach Militärrecht behandelt. In vielen Fällen haben Palästinenser mit internationaler Unterstützung und der Hilfe israelischer Menschenrechtsorganisationen geschafft, ihren Fall bis vor das oberste Gericht in Israel zu bringen, nur um dort Recht zu bekommen und dann dennoch nach Militärrecht kein Recht zu bekommen. So ähnlich sieht auch unsere Situation aus. Dazu kommt noch, dass nur wenige Palästinenser überhaupt eine solche Entscheidung – und die Art diese mitgeteilt zu bekommen – anfechten würden, da sie den Zettel vielleicht gar nicht innerhalb der 45-Tagefrist finden würden, die Hoffnung auf Gerechtigkeit schon lange aufgegeben haben, und auch nur sehr wenige über die finanziellen Mittel verfügen, um einen solchen Prozess zu führen (die Nassers waren von vornherein in einer priviligierteren Situation und haben sich trotzdem schon um mehr als 150 000$ verschuldet).
Dennoch entbehrt das Vorgehen Israels nicht einer gewissen Logik: Wenn das Land wirklich unbenutzt und leer ist, weswegen es ja enteignet wurde, dann gäbe es in gewisser Weise ja keinen rechtmäßigen Besitzer, dem man die Papiere übergeben könnte. Nur dadurch, dass der wahre Besitzer beim Arbeiten auf dem Land den Zettel findet, erweist er sich als wahrer Besitzer, der dann natürlich auch all die Grundstücksverträge und genug Geld hat, um einen solchen Prozess zu führen.
Dass man, um den Besitzer eines Grundstücks ausfindig zu machen, hier jedes Kind im benachbarten Dorf fragen könnte, spielt natürlich für diese Logik der Besatzer keine Rolle. Genauso wenig, wie dass außer den verrückten Christen hier niemand dauernd auf seinem Land arbeitet, einfach, weil Wein und Olivenbäume nicht jeden Tag Pflege brauchen. Die treuesten Landwirte schauen vielleicht jeden Monat auf ihrem Land vorbei.
Am Dienstag wurden die Zettel auf dem Land verteilt, zwei Tage später hat es angefangen zu regnen und erst drei Tage später aufgehört. Das hätten selbst die in Folie eingepackten Dokumente nicht überlebt…