Eine kurze Osterpredigt inspiriert von einer Facebook-Diskussion über sterbende Bäume am Karsamstag, Ched Myers Reflexion über die ökologischen Wundmale Jesu und einer Jahrtausende alten Tradition den Baum des Lebens mit dem Kreuz in Bezug zu setzen, auf die ich zuerst über Geez-Magazine gestoßen bin.
„Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
Jürgen Henkys (1975) nach Willem Barnard 1963
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.“
In der Bibel werden wir immer wieder ermutigt, von den Bäumen zu lernen. Abraham begegnet Gott im Schatten einer Eiche, Jesus erzählt von Bäumen in seinen Gleichnissen, und im ersten Psalm lesen wir:
Glücklich ist der Mensch, … der seine Freude hat am Weg Gottes,
Er gleicht einem Baum, der am Wasser gepflanzt ist.
Früchte trägt er zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht.
Aber manchmal vertrocknet der Bach, die Blätter welken, Früchte werden nie reif.
In den Nachrichten habe ich gehört, dass viele deutsche Wälder weiter von Dürre bedroht sind. Trotz des guten Regens dieses Jahr, denn die tieferliegenden Erdschichten, aus denen die Bäume sich speisen, sind immer noch ausgetrocknet in Folge des Hitzesommers 2018. So ein starkes Ereignis wird nicht einfach durch ein paar erfrischende Frühlingsregen wieder gut gemacht. Besonders wenn der Regen in den harten Boden kaum eindringen kann, und in die Bäche abläuft.
Mir geht es ähnlich, und vielleicht dir auch. Dieses Jahr fühle ich mich zu Ostern seltsam leer und ausgelaugt.
Das ewige Hin und Her, die Sorgen um meine Eltern und ältere Verwandte und Freunde, der Frust über Pläne, die in die Hose gehen. Ich bemerke, wie mein Mitgefühl mit anderen schnell versagt und ich hartherzig auf meinem Standpunkt beruhe. Ich bin emotional ausgetrocknet, meine Kraftreserven sind knapp geworden, und ein paar Tage Sonnenschein und ein guter Gottesdienst machen das nicht wieder wett.
Geht das zu Ostern? Darf ich mich weiter ausgelaugt fühlen, wo doch Jesus auferstanden ist?
Ich finde es spannend, dass die Bibel Jesu Auferstehung nicht einfach als eine Umkehr erzählt: Leiden und Gewalt werden nicht einfach ungeschehen gemacht. Jesus wird nicht einfach wiederbelebt. Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Aber er ist auferstanden als der Gekreuzigte. Er trägt weiterhin die Wundmale, wo die Nägel Hände und Füße durchbohrt haben, oder der Speer in seine Seite gedrungen ist. Auch das Leiden und Trauma der Jüngerinnen und Jünger wird ernstgenommen. Sie sind schockiert und voller Angst, weigern sich zu glauben, bis sie Jesus mit eigenen Augen sehen und anfassen können. All das wird erzählt und nicht verurteilt. Gott kann mit unserem Schmerz umgehen, er hat ihn selbst durchlitten.
Wir haben gerade mit den Jüngerinnen das nackte Kreuz mit Blumen geschmückt und verwandelt in den Baum des Lebens, wie es in dem Lied heißt. Doch darunter bleibt auch das Kreuz. Es wird nicht geleugnet.
Doch es bleibt nicht das nackte Kreuz.
(Dass Jesus am Kreuz als Verbrecher hingerichtet wurde, ist an sich keine gute Nachricht, sondern trauriger Alltag. Damals vor 2000 Jahren und auch heute noch werden Menschen, die sich den Mächten des Todes und der Ausbeutung entgegenstellen, ermordet. 2019 wurden weltweit 212 Um-weltschützer:innen ermordet, das sind mehr als vier pro Woche! Die meisten von ihnen waren Ureinwohner, die seit Beginn der Kolonisation vor 500 Jahren immer wieder im Namen des Fortschritts geopfert werden. Für 2020 gibt es noch keine Daten, weil die Pandemie auch die Menschenrechtsarbeit und die Verteidigung der Erde erschwert.)
Doch es bleibt nicht das nackte Kreuz.
Es „wird zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht,“ wie es im Lied heißt.
Dies ist keine neumodische Idee naturromantischer Hippies, die Bäume umarmen. Die Verbindung von Kreuz und dem Lebensbaum ist eine christliche Tradition, die fast so alt ist wie die Bibel selbst. Am Anfang und am Ende der biblischen Erzählung begegnen wir dem „Baum des Lebens:“ Im Garten Eden und im neuen Jerusalem, das vom Himmel auf die Erde kommt, als ewige Heimat Gottes bei uns Menschen. Beide Male symbolisiert der Baum des Lebens Gottes lebensstiftende Gegenwart, die Früchte des Baumes sind Nahrung und in der Offenbarung des Johannes dienen die Blätter als Medizin für die Heilung der Völker.
Lange bevor die moderne Wissenschaft den Zusammenhang zwischen Waldrodung, Verbrennen von uralten längst vergangenen Wäldern in Form von Erdöl und Kohle und dem Klimawandel entdeckte, wussten die biblischen Autoren, wie indigene Völker in allen Zeiten, dass wir mit den Bäumen in einer symbiotischen Beziehung leben.
In der Bibel ist Erlösung nie nur für den Menschen als Individu-um gedacht. Gottes Heilsplan umfasst die ganze Schöpfung, wie es im Kolosserbrief heißt:
„Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstge-borene der Schöpfung. Alles wurde durch ihn geschaffen, und alles hat in ihm sein Ziel. In ihm hängt alles zusammen. Er ist der Anfang: der erste Erst-geborene aus den Toten. Denn so hatte es Gott beschlossen: Mit seiner ganzen Fülle wollte er in ihm gegenwärtig sein. Durch Christus haben alle Versöhnung erfahren. Denn er hat Frieden gestiftet durch das Blut, das er am Kreuz vergossen hat. Ja, durch ihn wurde alles versöhnt – auf der Erde wie im Himmel.“
Kolosser 1 in Auszügen
In Jesus erkennen wir wer Gott ist. Gott ist die Liebe selbst. Er lässt sich nicht von unserer Hartherzigkeit und unserem Raub-bau abbringen. Er verwurzelt sich mit aller Kraft in der Erde, hier bei uns und setzt sich uns aus. Alle Mächte der Welt verschwören sich gegen ihn und er enthüllt ihre Gewalt. Er nimmt all ihr Gift in sich auf und stirbt.
Doch der Tod hat nicht das letzte Wort. Der abgehauene Stamm schlägt wieder aus, ein neuer Trieb entsteht. Das Kreuz wird zum Baum des Lebens, und bringt gute Frucht. Die Wurzeln des Baums verwandeln nach und nach das Erdreich um sich herum, Vögel tragen die Samen der guten Nachricht weiter, die Blätter heilen das Gift in der Atmosphäre.
Diese Verwandlung der Welt geschieht nicht in einem Tag. Wir werden nicht plötzlich aus der Welt herausgerettet. Wohin auch, wo doch Gott sich in Jesus ein für allemal in dieser Welt verwurzelt hat?
Das Lied geht weiter: Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn. Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.“ So wie Gott sich in Jesus in dieser Welt verwurzelt hat, sind auch wir berufen, uns hier zu verwurzeln. Auch wir sollen aufer-stehn, als Teil von Gottes geliebter Schöpfung. Gott steht uns bei, in ihm verwurzelt können wir fest und biegsam stehen trotz der Stürme und Dürren der Welt. Die Früchte des Baum des Lebens sind tägliches Hoffnungsbrot. Aus der Kraft seiner Auferstehung können wir Blätter sein, die die Wunden der Welt heilen, Schritt für Schritt.
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.