Ich war zwar mit der Gesamtsituation unzufrieden, aber aufgeben wollte ich noch nicht. Wir sollten zumindest VERSUCHEN ohne Ausweis über die Grenze zu kommen – immerhin sind wir hier in Südamerika und ich glaube ja eh nicht an Staaten und Landesgrenzen.
Da wir aber schon gefühlte Siebenmeilen ohne die dazugehörigen Stiefel gelaufen waren, schlug ich vor ein Taxi bis zur Jugendherberge in Foz de Iguazu zu nehmen. Was sich als der größte Fehler der ganzen Reise erwies…
Zunächst einmal schlug der Taxifahrer vor zuerst zum binationalen Wasserkraftwerk Itaipu zu fahren. Das stand zwar auf unserer Liste, aber eigentlich wollte ich nur bis zur Jugendherberge und dann mit Bussen weiter fahren. Ehe ich mich versah waren wir in Itaipu, das heute bestreikt wurde – als ob der Taxifahrer das nicht gewusst hatte! JETZT fahren wir aber zur Jugendherberge dachte (und sagte ich), aber nachdem wir die Grenze passiert hatten, wobei ich meinen Ausreisestempel erhielt und Carlos unbehelligt blieb, weil er gerade meinen Paß anschaute als der Grenzbeamte vorbeilief, spukte mir der Automat nach einiger Überzeugungsarbeit 400 Reales aus und wir fuhren in Richtung der brasilianischen Wasserfälle – mal wieder konnte ich mich nicht gegen den Sirenengesang des zweiäugigen Fahrers wehren, hätte ich doch meine Oropax benutzt!
Dort angekommen gingen wir zuerst in den Vogelpark, der direkt neben dem Wasserfallpark liegt. Die Eintrittspreise hauten mich ein bisschen aus den Socken, aber es ist ja schließlich ein beliebtes Touristengebiet… Der Taxifahrer begleitete uns, da er in Begleitung zahlender Gäste kostenlos reinkam. Weil er alles schon kannte lief er ziemlich wovon wir uns leider beeinflussen liefen und uns nicht die Zeit nahmen alles in Ruhe anzusehen. Viel zu schnell waren wir im Touriladen des Parkes angelangt, wo ich in weiser Voraussicht Postkarten kaufte. Nach meiner Schätzung waren wir nach höchstens einer Stunde schon wieder aus dem Park draußen! 20€ in einer halben Stunde ausgegeben, na super.
Als nächstes ging es zur eigentlichen Hauptattraktion: der brasilianischen Seite der Wasserfälle. Wir mussten erstaunlich kurz anstehen und ich musste für Carlos den europäischen Eintrittspreis bezahlen, weil er ja keinen Ausweis hatte, um zu beweisen, dass er Paraguayer war! Wieder begleitete uns der selbsternannte Führer.
Mit einem Bus fuhren wir bis zum Anfang des Wanderweges, wobei Carlos und Polyphem (ähmm der Taxifahrer ) wieder sehr vorauseilten… Ich versuchte mir so viel Zeit zu nehmen wie ich wollte und blieb auch länger stehen um die Wasserfälle, die Pflanzen, die Nasenbären und alles andere zu beobachten, aber irgendwie war ich doch auch schneller als ich wollte.
Schließlich standen wir vor der Teufelsrachen, zum Glück standen wir auf einer Plattform und wurden nicht wie die Leute in den Schlauchbooten von Skylla und Charibdis fast verschlungen…
Es war unbeschreiblich. Obwohl wegen der enormen Trockenheit viel weniger Wasser floß, rauschte es vor unseren Augen mit atemberaubender Geschwindigkeit zur Erde, um Platz für neues Wasser zu machen. Und es kam immer neues Wasser! Die Schöpfung hat mich glaube ich noch nie so sehr dazu gebracht dem Schöpfer zu danken.
Ich versuchte die ganzen nervigen, fotoschießenden Touristen zu vergessen und schoß so viele Fotos wie ich konnte, dann war meine Speicherkarte für die Kamera voll und ich genoß den Anblick ohne ihn weiter digital festzuhalten. Nach einer LANGEN Zeit, war ich bereit mit den anderen weiterzugehen. Erstmal zu einem Stand, wo ich wieder viel blechen musste, um die Photos auf eine CD brennen zu lassen. Dann mit einem Aufzug auf die Höhe der Wasserfälle, wo wir noch ein bisschen standen und dann weiterliefen.
Zu meinem Erstaunen war der Weg damit zu Ende und es standen schon wieder die Shuttlebusse bereit uns zum Eingang zu fahren. In einem Akt der Verzweiflung schlug ich vor den ganzen Weg zurückzulaufen, aber meine Gefährten hatten dafür kein Verständnis und irgendetwas hielt mich davon ab, einfach alleine zu gehen.
So waren wir gegen drei Uhr nachmittags schon mit allen Aktivitäten fertig und ENDLICH fuhr uns der Taxifahrer zur Jugendherberge, wo wir feststellten, dass alles voll war, weil wir nicht morgens gekommen waren – in meiner Naivität hatte ich natürlich nicht vorbestellt – was eigentlich ja auch nicht nötig gewesen wäre, wenn alles nach Plan geklappt hätte!!
Der Verwalter meinte noch draußen vor der Stadt wäre auch eine Jugendherberge (an der wir schon vorbeigefahren waren) und die hätten wahrscheinlich noch Plätze frei, aber ich war einfach zu gefrustet und wusste außerdem auch nicht, was wir denn am nächsten Tag noch machen sollten. Die argentinische Seite war Carlos versperrt und ich wollte nicht alleine dort hingehen, es war nicht klar, ob die Arbeiter in Itaipu morgen nicht auch noch streiken würden – und wenn wir außerhalb wären, wäre es auch fraglich, ob wir ohne den mir mittlerweile schon fast verhassten Taxifahrer irgendwohin kämen.
Also teilte ich Carlos meine Gedanken so gut es ging mit und er stimmte mir zu, weswegen wir den Taxifahrer in Reales bezahlten. Dabei benutzten wir eine falsche Umrechnungszahl UND ich gab ihm Trinkgeld, das er eigentlich ÜBERHAUPT NICHT verdient hatte, weshalb er ungefähr 10€ mehr kriegte, als wir ausmachten. Ich bat ihn, uns in ein Restaurant zu fahren damit wir ENDLICH was essen könnten. Dazu lud ich ihn dann auch noch ein! Es war ein Buffetrestaurant und schmeckte unglaublich gut -vielleicht auch größtenteils, weil ich so hungrig war…
Nach dem Essen hatten wir noch 21 Reales und ich hatte die fixe Idee nur das 1 Real Stück, das einer Euromünze sehr ähnlich ist mitzunehmen, weswegen wir von einem argentinischen Straßenhändler mit dem wir uns noch unterhielten drei Ringe und zwei Armbänder für 10 Reales kauften. Der Typ war ziemlich lustig drauf… halt so ein typischer Austeiger und Vagabunde 😀 hatte einen kleinen Dread, die anderen hatte er vor Kurzem abgeschnitten…
Wir fuhren über die Grenze und zuerst wunderten sich die brasilianischen Grenzbeamten, dass ich am selben Tag wieder ausreisen wollte, aber sie machten keine Probleme… auf der paraguayischen Seite jedoch sagten sie: „Ja, wissen Sie, dass geht eigentlich nicht… Sie müssen 72(!) Stunden im Ausland gewesen sein, damit sie ihren Einreisestempel (was mein neues Visum für 90 Tage ist) kriegen… Oder sie müssen eine Gebühr zahlen, schauen Sie mal auf der Liste da…“ Ich erklärte ihnen, dass ich eigentlich gaplant hatte, dass ganze Wochenende in Brasilien zu sein, aber mein Hotel sei voll und ich könne mir kein anderes leisten, was immerhin die halbe Wahrheit war – ich konnte ja nicht sagen: „Ja, mein Freund Carlos da draußen hat keinen Ausweis, weswegen wir nicht nach Argentinien kommen“. Aber die Grenzbeamten hatten kein Erbarmen mit mir und ich machte mich bereit die 220.000 Guaranis (ca.35€) zu zahlen, aber der Beamte kam zu mir und sagte mit leiser Stimme: „Hast du gesehen, wie viel es da auf der Liste kostet?“ Als ich bejahte, sagte er es koste 200.000 Guaranis ( ca 32€) – was ’ne Ersparnis, aber da ich zu blöd war zu feilschen, bezahlte ich ihm das Geld, das er höchstwahrscheinlich ganz in seine Tasche steckte, sonst hätte ich ja keinen Rabatt gekriegt…
Endlich waren wir am Busbahnhof, gaben dem unverschämten Taxifahrer noch unsere letzten 10 Reales und 20.000 Guaranis (insgesamt 6,60€) und rannten, weil wir sofort einen Bus nehmen konnten.
Im Bus konnte ich weder schlafen, noch Tagebuch, noch Postkarten schreiben, weil es zu laut, wackelig und dunkel war…
Um zehn Uhr nachts kamen wir an – Wiensens konnten uns nicht abholen, weil sie in der Gemeinde ein Programm machten, also stellten wir uns an die Straße, wo nach Aussage eines Straßenverkäufers die 44 vorbeikommen sollte. An besagter Ecke stand auch ein Bus dieser Linie, nur ohne Fahrer. Außerdem standen dort einige Taxis mit zugehörigen Fahrern, die sich natürlich erboten uns nach Hause zu fahren – aber ich hatte eine derartige Aversion gegen diesen Berufsstand entwickelt, dass ich jetzt nicht mit ihnen fahren wollte.
So warteten wir. Eine halbe Stunde verging und es erschien weder der Fahrer des Busses, noch fuhr ein anderer Bus, der im entferntesten in unsere Richtung ging, vorbei – während der ganzen Zeit kam nur ein einziger Bus, der auch noch zum anderen Ende Asuncións fuhr, vorbei.
Ich war so verzweifelt, müde, genervt, wütend und sogar ein bisschen ängstlich, wenn ich an all die Ratschläge NIE bei Dunkelheit Bus zu fahren dachte, dass ich begann mit dem Taxifahrer zu verhandeln. Wir hatten uns gerade auf 90.000 (13€) geeinigt und ich hatte das Geld schon in der Hand, als der 44er, der immer noch da stand den Motor startete. Wie der Blitz stiegen wir ein und kamen unbescholten nach Hause; ich musste die ganze Busfahrt daran denken, dass wir jetzt doch noch ein Wunder erlebt hatten…
Abgesehen vom Wunder der Wasserfälle natürlich…
Jetzt ist das ganze fast zwei Wochen her und meine Auffassung davon hat sich bei jedem Bericht verändert, von Wut über den Taxifahrer und das alles andere auch schief gegangen ist, über Freude wenigstens die Wasserfälle gesehen zu haben, bis schließlich zur typischen Bloggeransicht, dass es eine tolle Anekdote ist und deshalb gut.
Mal sehen, vielleicht komme ich ja nochmal dahin, vielleicht alleine, oder mit jemandem, der sich ähnlich viel Zeit dafür nehmen will… bis dahin habe ich die Fotos und die Bilder in meinem Kopf.
ich habe noch ein paar negative Sachen vergessen. Zum Beispiel hatte ich Süßigkeiten gekauft, aber nach der Schokolade, die super geschmeckt hat, machte ich ein M&M-Plagiat auf, das total widerlich schmeckte, die Schokolade war alt und die Erdnüsse weich…
Ich konnte mich aber nicht überwinden sie wegzuschmeißen, also aß ich den ganzen Tag über immer wieder, wenn ich den Geschmack vergessen hatte, ein paar neue, nur um mich zu erinnern, weshalb sie noch nicht leer waren…