Dieses Wochenende war ich zum ersten Mal in der Concordia in Asunción, der einzigen deutschsprachigen Mennogemeinde in Asunción. Der Gottesdienst war so deutsch, dass ich zwischendurch vergaß, dass ich in Paraguay war: diesselben Lieder, das Gesangbuch war in Deutschland gedruckt, der ganze Gottesdienst war auf deutsch. Ich schwanke immer noch das Erlebnis zu bewerten: Heimaturlaub oder Einblick in eine Parallelgesellschaft?
Nach dem Gottesdienst war ich bei meines der Familie der Emailfreundin meines Vaters zum Mittagessen eingeladen. Ich war schon einmal dagewesen und freute mich sehr ihre Gastfreundschaft annehmen zu können. Zu meinen Ehren gab es Borscht, ein russisches Essen, das während der Zeit im Zarenreich ins mennonitische Kochbuch einging; ich kenne all die mennonitischen Speisen nicht und so war es für mich wieder etwas ganz Neues.
Beim Essen lernte ich auch den Mann kennen, dessen lateinische Doktorarbeit ich schon bewundert hatte als ich in noch gar nicht kannte. Er sprach mich die ganze Zeit mit Benno an, nach ein paar zögerlichen Versuchen, darzulegen, dass ich sonst Benni, Benjamin, Ben, oder hier auch Benja (spanisch ausgesprochen) gerufen wurde, nahm ich meinen neuen Namen an und sogleich erfuhr ich auch den Grund warum ich für ihn so hieß:
Er: Dein Vater war ja einer von den Studenten.
Ich: Ja.
Er: Bist du dann vielleicht nach diesem Benno Ohneschuld benannt?
Ich: Den kenne ich ehrlich gesagt nicht.
Er: Na, dieser Benno Ohneschuld, dieser Student, der da erschossen wurde!
Ich: Ach so, Benno Ohnesorg. Das weiß ich gar nicht so genau… noch nie drüber nachgedacht.
Daraufhin mussten wir den erwachsenen Kindern, die in deutscher Geschichte nicht so bewandert waren, erklären wer Benno Ohnesorg war, dass er auf einer Demo gegen den Schah (Wer war denn der Schah?) von einem Polizisten namens Kurras erschossen wurde, so die Studentenrevolte radikalisiert wurde und dass vor kurzem entdeckt wurde, dass dieser bürgerliche Kurras ein Stasiagent war, weshalb die Frage im raum steht, welchem Herrn er denn nun gedient hat.
Benno Ohneschuld – Das Opferlamm der 68er?
und
Bin ich nach ihm benannt?
Nein, es ist nicht Benno Ohneschulds Schuld, dass du seinen Vornamen trägst. Du trägst ja auch gar nicht seinen Vornamen, sondern den guten biblischen Namen Benjamin, nach dem jüngsten männlichen Spross des guten alten Patriarchen Jakob. Ohneschuld heißt also zu Recht so, denn es ist nicht seine Schuld. Wenn bei der Auswahl eines Vornamens überhaupt von Schuld die Rede sein kann. Also ohne Sorge! Ob du dich nun weiter Benni, Ben, Benjamin oder so du willst auch Benno nennen willst.
Es grüßt aus Augsburg, Wolf Ohnegraus