Pikpa kollabiert an der Verantwortungslosigkeit der Behörden

Die letzten Tage war ich sehr beschäftigt und kam leider nicht zum Bloggen.
Ab und zu war es möglich die neuesten Entwicklungen auf der Facebookseite von Christian Peacemaker Teams Europe festzuhalten, aber für viele Dinge ist es schwer überhaupt Worte zu finden. Ich versuche hier die Entwicklungen der letzten Tage zu skizzieren.

In der ersten Woche schrieb ich einen Artikel über Pikpa, zu dem Zeitpunkt waren dort vielleicht 150 Menschen untergebracht, was bereits eine Überlastung darstellte, da das Willkommenszentrum für 80-100 Leute ausgerichtet ist. Aber durch die unermüdliche Arbeit der Freiwilligen vom „Dorf Aller Zusammen“ konnten alle Menschen mehr oder weniger gut versorgt werden.
Dann gab es ein technisches Problem mit der Machine, die die Fingerabdrücke macht, und die Polizei nahm keine Leute mehr mit nach Moria, da es mit 150 Leuten voll sei. Gleichzeitig brachte die Küstenwache weiterhin alle Neuankömmlinge nach Pikpa, das bereits überladen war. Weil die Polizei einfach niemanden aufnahm, musste Pikpa einspringen, weil die Menschen sonst auf den Straßen oder im Hafen geschlafen hätten.
Fast eine Woche lang nahm die Polizei niemand mit und als sie dann wieder anfingen, fuhren sie im alten Tempo fort und brachten sogar noch Leute nach Pikpa, die die Fähre verpasst hatten.

Am Montag kamen zweihundert neue Flüchtlinge an und es waren auf einmal sechshundert Flüchtlinge in Pikpa – sechsmal so viel, wie sie maximal aufnehmen konnten.
DSC00994

Die Küstenwache organisierte Essen für alle, aber sonst nichts. Keine Decken, keine medizinische Versorgung, nicht einmal die Müllabfuhr kam öfter vorbei.

Es entstanden Konflikte unter den verschiedenen Flüchtlingsgruppen, da manche sich benachteiligt fühlten, weil z.B. SyrerInnen schneller abgeholt wurden, während einige somalische Flüchtlinge schon seit Wochen warteten.

EssenschlangeSchließlich bat das „Dorf Aller Gemeinsam“ den neuen Bürgermeister Spyros Galenos um ein Treffen, um die Lage zu schildern und zu verlangen, dass die Behörden mehr Verantwortung übernehmen.
Sie hatten nicht viel Hoffnung, denn obwohl die Politik auf Pikpa und die Freiwilligen vom „Dorf Aller Gemeinsam“ angewiesen ist, haben sie deren Arbeit nie anerkannt, geschweige denn unterstützt. Der neue Bürgermeister hatte im Vorfeld gesagt, er werde das Willkommenszentrum in Pikpa schließen und es wieder als Sommerfreizeitlager eröffnen lassen. Der Chef der Küstenwache hatte sie sogar als „Hausbesetzer“ bezeichnet und behauptet, Flüchtlinge kämen nach Lesbos, weil sie hier so gut aufgenommen würden. Gleichzeitig haben die Autoritäten all ihre Probleme auf Pikpa abgewälzt, da es weit ab von den Augen der Öffentlichkeit ist und sie wussten, dass die Freiwilligen sich um die Flüchtlinge kümmern.

Das Treffen, an dem wir als CPT teilnahmen, machte dann aber einen ganz anderen Eindruck. Bürgermeister Galenos hörte sich an, was die Freiwilligen vom Dorf aller gemeinsam zu sagen hatten und versprach Unterstützung. Man einigte sich, dass Pikpa vorübergehend keine Flüchtlinge mehr aufnehmen würde, bis es geleert sei und dass die Küstenwache die Menschen direkt nach Moria bringen solle, um Druck aufzubauen.
Nach dem Treffen besuchte er Pikpa und äußerte sich erstaunt darüber, dass die Flüchtlinge so „ruhig und fröhlich“ seien, trotz der überfüllten Lage.

DSC00999Er posierte in vielen Fotos und schüttelte Hände, wie man es von Politikern kennt.

Jemand bat mich als Teil von CPT um ein Statement und ich sagte Herrn Galenos, dass Pikpa ein großartiger Ort der Gastfreundschaft sei, der seine Unterstützung verdiene. Ich sagte, dass eine solche Unterstützung durchaus auch den Ruf Mytilenes und Lesbos verbessern könnte, was sich eventuell auch auf den Tourismus auswirken könnte.

Er sagte mir:

Bitte erzähle deinen Freunden und den Medien, wie ich Pikpa unterstütze.

Ich wünschte ich könnte es.

Bei sechshundert Leuten sammelt sich schnell Müll an. Die Flüchtlinge sammeln den Müll selbst ein.Aber leider sieht die Sache anders aus. Zwar begann die Polizei noch am selben Tag sehr viel schneller zu arbeiten und Menschen zu registrieren, aber Bürgermeister Galenos veröffentlichte auch einen Brief an die Küstenwache, in dem er ankündigte, seinen ursprünglichen Plan durchzuführen und das Willkommenszentrum bis Ende September zu schließen und Pikpa wieder in ein Jugendsommerlager zu verwandeln.

Er verdrehte alle unsere Aussagen und verglich Pikpa mit dem berüchtigten Flüchtlingslager Pagani, das vor ein paar Jahren wegen der schrecklichen Bedingungen und des massiven Protest dagegen (u.a. vom Dorf Aller Gemeinsam) geschlossen wurde. Er verschwieg, dass es die Verantwortung der Behörden ist, für die Grundbedürfnisse der Flüchtlinge zu sorgen und erwähnte mit keinem Wort die aufopfernde Arbeit der Freiwilligen vom Dorf Aller Gemeinsam.

Meine Aussage verdrehte er dahingehend, dass er sagte, dass solche Bedingungen Mytilene international blamieren würden.

Diese schamlose Verdrehung der Vereinbarung schockierte uns alle sehr. Ein paar Leute vom Dorf Aller Gemeinsam hatten schon Zweifel an seiner Ehrlichkeit geäußert, aber letztlich waren alle überrascht. Das war natürlich die Taktik des Bürgermeisters, der einfach behauptete im Einverständnis mit den Beteiligten und sogar im Sinne der Flüchtlinge zu handeln, während die AktivistInnen erst einmal Zeit brauchten ihre Reaktion zu formulieren.

Mittlerweile haben einige Mitglieder der Initiative Antworten in den Lokalzeitungen veröffentlicht und am Samstag soll es eine Pressekonferenz in Pikpa geben. Aber einen Tag lang konnte der Bürgermeister seine Version der Geschichte verbreiten.

Ich wünschte, ich könnte euch allen sagen, dass Bürgermeister Galenos sich für die Gastfreundschaft in Pikpa und für die Flüchtlinge einsetzt. Aber leider sieht es so aus, als habe er sich gegen diese pragmatische und menschliche Initiative entschieden, und halte an der utopischen Idee fest, Migration könne durch Lager und Legalismus gestoppt werden.

Aus meinen bisherigen Gesprächen mit den EinwohnerInnen Mytilenes unterstützen sie Pikpa und waren entsetzt über die Bedingungen in Pagani. Als Pikpa begann kamen viele Leute und brachten Essen, Kleidung und andere Bedarfsgegenstände. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich jetzt wieder mit Pikpa solidarisieren und Bürgermeister Galenos zeigen, dass er nicht seine Stadt repräsentiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.