Oktoberfest in Taybeh

Manche Dinge tut man wohl nur, wenn man fremd in einem Land ist. Ein Oktoberfest besuchen, ist eines dieser Dinge.

Während ich mir noch nie überlegt hatte, zum bayerischen Oktoberfest zu gehen, war es gar keine Frage, dass ich zu diesem einzigartigen Ereignis in Taybeh, einem winzigen Dorf bei Ramallah gehen werde.

Einzigartig ist es auf mehrfache Weise. Zum einen ist es das einzige Oktoberfest in der Westbank. Was Sinn macht, schließlich gibt es in Taybeh auch die einzige Brauerei in der Palästina. Das Dorf ist außerdem das einzige verbliebene fast ausschließlich christliche Dorf in der Westbank, da viele christliche Palästinenser das Land verlassen haben.

Schon seit ich in Palästina angekommen bin, kam mit fast allen Internationalen, die ich getroffen habe, das Gespräch irgendwann auf das Oktoberfest, das im mehrheitlich trockenen moslemischen Palästina ein Mythos für westliche Freiwillige geworden ist. Würde ich also in ein überteuertes Trinkgelage für Westler kommen, mit Blasmusik und Lederhosen?

Ja und nein.

Ich habe diesen Typen hier getroffen, aber er war wirklich der einzige mit Lederhosen und Lebkuchenherz, was dieses Outfit wieder ziemlich cool gemacht hat.

Die meisten Besucher waren wahrscheinlich Internationale, aber es waren überraschend viele Palästinenser dort, und ich habe sogar ein paar Frauen mit dem moslemischen hijab gesehen, die vielleicht das alkoholfreie Taybeh mit dem grünen Etikett trinken wollten – grün ist die Farbe des Propheten – oder einfach die Touris anschauen wollten. Insgesamt waren es vielleicht ein paar hundert Leute, wobei es am Samstag voller gewesen sein soll. Das Programm war größtenteils auf arabisch und sehr laut, und trotz der kühlenden Sonnensegeln war es zu heiß, um viel zu trinken, weswegen wir uns schnell in einen benachbarten Garten verzogen, Wasserpfeife rauchten, und dann die Altstadt Taybehs, sowie die Brauerei erkundeten.

Die Brauerei wurde 1995 gegründet und verkauft sich vor allem im Westjordanland und in Israel, ungefähr 10% der Produktion werden exportiert. Wer die Möglichkeit hat, etwas von diesen 10% abzubekommen, sollte sie nutzen, denn Taybeh wird nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut und ist wirklich ein gutes Bier, es gibt ein Helles, ein Dunkles und ein Alkoholfreies. Leider müssen sie außer dem Wasser alle Zutaten (sogar die Flaschen!) aus Europa importieren, was mich sehr überrascht und ein wenig enttäuscht hat.

Oft werden die Zutaten, sowie die fertigen Biere an Checkpoints aufgehalten, was die Preise verzerrt, die eigentlich billiger sein könnten, aber immer noch (für mich) erschwinglich sind (in der Brauerei 1,20€ die Flasche).

Dieses Jahr war das Oktoberfest tatsächlich im Oktober (1.& 2. Oktober), wegen des späten Ramadans, normalerweise wird es zwischen Ramadan und Jom Kippur im September festgelegt (wie das richtige Oktoberfest).

Wer im Spätsommer in Palästina ist, Bier mag und keine Angst vor Internationalen hat,  dem würde ich das Oktoberfest in Taybeh empfehlen, denn es gibt wohl keinen Ort, wo diese drei Dinge sonst zusammenfallen, und dazu noch in einer so absurden Situation.

Hier gibt es einen Film über die Taybehbrauerei

Ein Kommentar

  1. Na dann Prost! Schöne Sache mit dem Taybeh-Bier. Da steckt eine ganze Philosophie dahinter. – In Stuttgart auf dem Bahnhof bin ich heute ganz vielen Dirndlmädels und Lederhosenbubis begegnet. Sah alles ganz unecht aus. Nach dem Oktoberfest mit „bayrischen“ Trachten gehen jetzt auch viele Schwaben zum Cannstadter Wasen mit „bayrischen“ Trachten. Seufz. – Dann schon lieber nach Taybeh!

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