Jesus wird heute noch gekreuzigt

(Bitte entschuldigt die Inkohärenz dieses Textes, ich hatte keine Zeit meine Gedanken vor Ostern noch wirklich zu sortieren)

Bei meinem letzten Text wurde ich gefragt, was ich meine, wenn ich sage: „Im Umgang mit diesen ‚Geringsten‘ (Mt 25) wird Jesus heute noch gekreuzigt, …“.

Dieses Foto zeigt eine eindrückliche Form einer heutigen Kreuzigung – ein Flüchtling dessen Gliedmaßen von Polizisten unter Kontrolle gebracht werden, als er versucht den Grenzzaun bei Melilla zu überwinden, um nach Europa zu kommen.

Diese Parallele wird zum Beispiel beim seit Jahren stattfindenden Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge in Hamburg (und anderswo!) gezogen, den die Basisgemeinschaft „Brot und Rosen“ mit vielen anderen kirchlichen und säkularen AkteurInnen organisiert.
In den USA verbinden Schwarze ChristInnen und ihre UnterstützerInnen den tödlichen Rassismus in Polizei und Gesellschaft mit der Passionsgeschichte Christi und organisieren eine „Holy Week of Resistance“, in der biblische Texte und liturgischen Feiern in der Öffentlichkeit für Protest mobilisiert und kreativ gedeutet werden.

Was für ein Verständnis des Kreuzes zeigt sich hier?
Das Kreuz wird hier vor dem Hintergrund heutiger Ungerechtigkeiten und Leiden gedeutet. Jesu Tod am Kreuz wird hier nicht metaphysisch als freiwilliges Opfer Gottes für sein blutrünstiges Selbst verstanden, wie in der Satisfaktionstheorie von Anselm v. Canterbury.
Stattdessen wird das Kreuz in seinem historischen Hintergrund als politische Strafe für Aufständische und entlaufene Sklaven verstanden. Etwas das Entwürdigten, die zurücksprechen angetan wird, um sie zum Schweigen zu bringen.
Das Kreuz war eine öffentliche Hinrichtung, um ein Exempel zu statuieren und Furcht und Schrecken (Terror) in den Herzen der Beherrschten wach zu halten.
Nichts anderes.
Diese Staatsgewalt ist es, die wir in dem Bild sehen und die schwarze Menschen in den USA ermordet.

Sie muss an die Öffentlichkeit gezerrt werden, nur dann können die Mächte und Gewalten entlarvt und entmachtet werden. Aber auch diese Gedanken kommen den Jüngerinnen und Jüngern nicht an Karfreitag sondern erst im Rückblick von Ostern her.

Wo ist dann das Heil?
Nicht am Kreuz, zumindest nicht nur dort sondern nur im Zusammenspiel von Kreuz und Auferstehung.
Die Auferstehung ist Gottes Bestätigung dieses Jesus von Nazareth, dieses Menschen, den alle verstoßen hatten und dessen Freunde ihn im Stich gelassen hatten. Ohne die Auferstehung wäre das Kreuz sinnlos – ein weiterer Beweis der Macht der Mächtigen und nicht erwähnenswert in ihren Geschichtsbüchern (tatsächlich berichtete ja auch kein antiker Historiker über Jesus und seinen Tod)

Aber die Auferstehung macht das Kreuz nicht ungeschehen.

Es ist der Gekreuzigte, den Gott auferweckt, und den die Jünger und alle ChristInnen nach ihnen als höchste Offenbarung von Gottes Wesen („Gottes Sohn“) bekennen.
Dieser vom mächtigsten Land der Welt mit zwei Terroristen Hingerichtete ist der Ausdruck von Gottes Liebe, und irgendwie hat er in seiner Hinrichtung auch noch die Mächte der Welt entlarvt und besiegt.

Das ist der Skandal des Kreuzes (1. Kor,1,18-25), der Juden und Heiden unverständlich war und sich auch den Jüngerinnen und Jüngern nicht einfach so erschloss. Nur eine 2000-jährige Kirchengeschichte, die größtenteils vom Versuch das Kreuz für die Mächtigen harmlos zu machen beherrscht war, macht es heute möglich, Kreuze als Schmuck um den Hals zu legen, das Leiden Christi zu als Gottes Willen zu verherrlichen und gleichzeitig weiter Menschen auszuschließen und zu unterdrücken.

Das Kreuz war nicht Gottes ewiger Plan, um seine Blutgier zu befriedigen. Die Menschen waren es die Gottes Liebe, die sich ihnen in Jesus zeigte, nicht aushalten konnten. Um Jesus ans Kreuz zu bringen, verbündeten sich jüdische religiöse Eliten mit den verhassten römischen Besatzern und dem Marionettenkönig Herodes. Die Massen liefen der Propaganda folgend hinterher und alle waren beteiligt an der Hinrichtung des einen, der lebte, so wie Gott es sich vorstellt.
Von allen verlassen und verspottet starb er und mit ihm die Hoffnung, dass eine andere Welt möglich sei.
Die Geschichte geht weiter, und wir lernen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Ich habe selbst die Auferstehung ins Spiel gebracht, was natürlich wichtig ist.
Aber manchmal wäre es gut, in der Zwischenzeit ein wenig zu verweilen..

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Postskript: Diese Auslegung des islamischen Gelehrten Omid Safi finde ich sehr passend.

Ein Kommentar

  1. Danke! Bin ganz einverstanden und freue mich auch über das schöne bitter polemische Lied von Woody. Allerdings regt sich in mir zu seinem Text auch Widerspruch und mal sehn, vielleicht schreibe ich eine Strophe, die unser aller Anteil thematisiert. Es waren doch nicht nur der „dirty coward called Judas Iscariot“, die „bankers, preachers, cops and soldiers“ die Jesus Christ „into his grave“ brachten.

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